Artikel aus der Berliner Morgenpost:
Am liebsten fahren die Europäer nach Disneyland
Dienstag, 27. Dezember 2011 13:38 - Von Christian Haas
2012 feiert das Disneyland Paris 20-jähriges Bestehen. Seit der Eröffnung wurden gut 250 Millionen Besucher gezählt. Wer im Winter hinfährt, profitiert von Rabatten
Das Traumreiseziel vieler Kinder liegt in Marne-la-Vallée 32 Kilometer östlich von Paris, misst 1943 Hektar, auf denen sich zwei Themenparks und sieben Hotels mit 5800 Zimmern befinden, mit 53 Attraktionen (von „Peter Pan’s Flight“ über „Buffalo Bill’s Wildwest Show“ bis zum Dornröschenschloss, einer Fantasy-Variante von Schloss Neuschwanstein mit eigenem Drachen) und 55 Geschäften, in denen pro Jahr 27,2 Millionen Souvenirs verkauft werden.
Für Knirpse ist es das Paradies, für Eltern eine interessante, aber nicht unbedingt billige Erfahrung: ein Besuch im Disneyland Paris. Das Freizeitland feiert 2012 sein 20-jähriges Bestehen und hat seither mehr als 250 Millionen Besucher angelockt, nach eigenen Angaben ist es das populärste Kurzreiseziel Europas. Anders ausgedrückt: Jeder Deutsche, vom Baby bis zum Greis, ist statistisch gesehen seit 1992 schon dreimal im Disneyland Paris gewesen.
Die Kunst für Eltern, die eine Reise dorthin unternehmen, liegt zum einen darin, den eigenen Geldbeutel nicht zu sehr zu strapazieren, zum anderen sollte die Wucht der Eindrücke für die Kinder gekonnt dosiert werden. Denn am schönsten (und preiswertesten) sind auch in Disneyland die scheinbar kleinen Dinge – etwa ein Tänzchen mit Minnie.
Ich habe es mit meiner sechsjährigen Tochter Anna erlebt. Zwei Tage war ich mit ihr dort, die ganze Zeit hat sie versucht, Mickey und Minnie zu erwischen, um sich von den beiden bekanntesten Mäusen der Welt ein Autogramm ins extra dafür vorgesehene rot-goldene Buch schreiben zu lassen.
Zuerst sah Anna die beiden, als wir beim Essen waren – die Figuren schlenderten unten auf der Main Street, der Fußgängerhauptroute, vorbei und waren verschwunden, als wir unsere Burger verschlungen hatten.
Das nächste Mal waren sie unerreichbar auf der Glitzershowbühne vor dem imposanten Dornröschenschloss zu sehen. Am Abend spazierten Minnie und Mickey plötzlich keine drei Meter an uns vorbei mitten ins Dunkel hinein.
Anna drehte gerade ihre Runden auf dem nostalgischen Lanzelot-Karussell, abspringen konnte sie nicht. „Papa, da war Minnie! Wir müssen hinterher“, brüllte sie aufgeregt, als sie endlich vom Schaukelpferd glitt. Wir flitzten hinterher, vergebens: Die beiden Animateure haben schließlich auch mal Feierabend. Ich vertröstete das Kind auf den nächsten Tag.
Dem Entertainment-Rausch – und nichts weniger ist ein Besuch bei Disney – können die großen und kleinen Gäste durchaus auch in der Wintersaison verfallen. Denn, und das vermutet man nicht unbedingt, Disneyland Paris öffnet seine Pforten 365 Tage im Jahr, 2012 sogar an 366 Tagen. Auch in den kalten Monaten ist hier ordentlich was los.
Zahlreiche Besucher kommen sogar ganz gezielt zwischen Dezember und Februar, weil es dann nicht ganz so voll ist wie in den Sommermonaten. Erleichtert wird die Winter-Entscheidung obendrein durch günstigere Tickets und zusätzliche Programmpunkte.
Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene zieht es, anders als meine Tochter, vor allem in den Studio-Park, etwa zu dem weit über 100 Millionen Euro teuren „Tower of Terror“, einem Free-Fall-Fahrgeschäft, das von Laser-Effekten bis zum ruckartigen Auf und Ab im Dunkeln derart gut gemacht ist, dass man am liebsten sofort noch mal will (was mit der speziellen Eintrittskarte „Fast-Pass“ auch leicht möglich ist).
Oder es zieht sie zum „Rock’n’Roller-Coaster“, bei dem es von 0 auf 100 Stundenkilometer in drei Sekunden durch das Dunkel beziehungsweise einen Videoclip von Aerosmith geht.
Angesichts der Masse der Attraktionen sind viele Kinder überfordert; hier sind die Eltern gefragt. Manchmal hilft es (wie in meinem Fall), das Gelände nach irgendwelchen Disney-Figuren abzusuchen, wer Glück hat, überredet sein Kind zu einer Siesta in einem der fußläufig erreichbaren Hotels, die allesamt einem bestimmten Thema folgen.
Das „Disneyland Hotel“ etwa ist ein viktorianischer Palast, das „Chayenne“ steht unter dem Motto Wildwest – solche Herbergen sind auch für Kinder attraktiv.
Der nächste Tag begann hoffnungsvoll. Denn schon beim Verlassen des Hotelfahrstuhls fiel der Blick auf: Mickey und Minnie. Die beiden Flüchtlinge vom Vorabend waren leibhaftig da. Anna strahlte. Prima.
Ganz und gar nicht prima war jedoch die Schlange an Kindern, die sich bereits gebildet hat. Bestimmt 20 Knirpse warteten mit ihren Autogrammbüchern aufgeregt schnatternd darauf, dass sie drankamen. Auch Anna.
Nach einer halben Stunden Schlangestehen konnte sie ihr Glück kaum fassen, als die beiden Mäuse sie per Handschlag begrüßten und Minnie sogar ein Tänzchen mit ihr auf dem Straßenpflaster hinlegte.
Dann ein Gruppenfoto zu dritt, schließlich das Autogramm – der Tag war gerettet. Auf der Rückfahrt sagte Anna noch, bevor sie selig einschlief, dass sie nächstes Mal ein Autogramm von Daisy und Donald Duck haben wolle.