Daniel Speer: | Seit Jahren predigen Sie in Interviews und wissenschaftlichen Vorträgen, dass Interaktion einen größeren Stellenwert beim Entwurf neuer Fahrgeschäfte erhalten sollte. Sie haben z. B. eine Achterbahn entwickelt, wobei der Fahrgast durch Gewichtsverlagerung das Fahrverhalten beeinflussen kann. Welche interaktiven Entwicklungen würden Sie sich noch wünschen? |
Dr. W. Stengel: | Jede Achterbahn bedeutet ein großes Investment, und das muss sich am Ende auch auszahlen. Ohne diesen wirtschaftlichen Zwang könnte man durch Interaktion der Fahrgäste mehr Spaß erzeugen. Durch den Sicherheitsbügel ist der Fahrgast zur absoluten Passivität verurteilt. |
Daniel Speer: | Sie haben weltweit über 500 Achterbahnen konzipiert. Millionen von Hobby- oder Spielkonstrukteuren träumen davon mal eine Achterbahn bauen zu dürfen. Was fühlen Sie, wenn Sie auf einer selbstentworfenen und praktisch realisierten Achterbahn fahren? |
Dr. W. Stengel: | Wahrscheinlich habe ich das gleiche Gefühl auf einer Achterbahn, wie andere Achterbahnfahrer auch. Freudige Erwartung, Adrenalinausschüttung, Endorphinausschüttung , das leichte Gefühl der Unsicherheit und Angst, aber gepaart mit der Sicherheit in der Station sicher anzukommen. Mein Unterschied liegt in der ständigen Abfrage: stimmt die Querneigung, sind parallel zur Schulter die Schläge nicht zu groß, sind die positiven und negativen Beschleunigungen gut über die Bahnlänge verteilt und ist das Excitement der gesamten Bahn gut. |
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Daniel Speer: | Heutzutage kommen die finalisierten Achterbahnentwürfe aus dem Rechner. Denken Sie, dass die Computersimulationen wesentlich besser als konventionell berechnete Fahrtabwicklungspläne sind? |
Dr. W. Stengel: | Man muss unterscheiden zwischen Computersimulation (Spiele) und dem finalen Achterbahnentwurf aus dem Rechner. Wenn ein finaler Achterbahnentwurf bei uns aus dem Rechner kommt, dann beinhaltet der unser gesamtes know- how aus über 540 Achterbahnen, Sicherheitsvorschriften und Vorschriften aus DIN-Normen. Das kann eine Computersimulation aus einem Spielprogramm nicht leisten. Wir lassen aber finale Achterbahnentwürfe auch über Spielcomputersimulationen laufen, da sie fantastische Bilder und Eindrücke liefern. |
Daniel Speer: | Sie werden immer wieder nach Ihren persönlichen Lieblingsachterbahnen gefragt und nennen dabei häufig die Millenium Force oder die Expedition Ge-Force, warum? |
Dr. W. Stengel: | Millenium Force könnte ich täglich mehrfach fahren, da der Lift eine fantastische Aussicht liefert, der erste Absturz unglaublich herrlich zu fahren ist, er müsste nur noch 40 m länger sein, und die Durchschnittsgeschwindigkeit der Bahn so hoch ist, dass die Querneigung der Bahn für den ersten, den mittleren und den letzten Wagen des Zuges überall fantastisch gut passt. |
Millennium Force im Cedar Point, Sandusky/Ohio ist 95m hoch und lässt die Fahrgäste mit bis zu 150km/h durch wilde Täler und Steilkurven rasen. Die wahnsinnige Höhe hatte allerdings auch einen Preis. Genau 25 Millionen US-Dollar legte Cedar Point für die bis dahin höchste Achterbahn der Welt auf den Tisch. Der Rekord hielt allerdings nicht lang, denn schon wenige Monate eröffnete im japanischen Nagashima Spa Land der Steel Dragon 2000 mit einer Höhe von 97 Meter. |
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Daniel Speer: | Das Informations- und Kommunikationsmedium Internet ist nicht mehr weg zu denken. Auch unsere Web-Site ist ein Kind dieser Welt. Welche Tipps können Sie uns für eine positive Weiterentwicklung geben? |
Dr. W. Stengel: |
Das Internet hat die Welt verändert, was ich an unserer Arbeit erklären möchte. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts haben wir aus den handgefertigten Originalzeichnungen Lichtpausen erstellt und diese z. B. per DHL nach USA, Japan, usw. verschickt. Das dauerte Tage und wir hatten Zeit bis eine Rückantwort bei uns eintraf. Dann wurde das Faxgerät erfunden, und wir haben Zeichnungen auf DIN A4 zusammengeschnitten und gefaxt, bzw. wir haben erhaltene Zeichnungen aus dem DIN A4 Format zusammenkleben müssen. Das dauerte maximal Stunden. Heute werden Zeichnungen und Berechnungen per email versandt und erreichen in Minuten jeden Ort der Welt. Da ich aber kein Wahrsager bin, kann ich die Weiterentwicklung von Web-Sites und des Internets nicht beurteilen. Kein Mensch weiß in welche Richtungen der Nutzer diese Entwicklung treiben wird, denn nicht alles, was die Industrie bzw. große Firmen entwickeln und anbieten, wird der Nutzer akzeptieren. |
Daniel Speer: | Sie haben sich im Vorfeld sicherlich unser Magazin etwas näher angeschaut. Wie beurteilen Sie unsere Arbeit und welchen Stellenwert rechnen Sie dieser zu? |
Dr. W. Stengel: | Ihre Arbeit mit dem Magazin finde ich übersichtlich, gut strukturiert und auf dem neuestem Stand. |
Daniel Speer: | Herr Stengel, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit für dieses interessante Gespräch genommen haben. Ein Dank gilt ebenso Torsten Jansen, der uns bei der Interviewaktion unterstützt hat. |